Haderslev
Haderslev [ˈhaːʔðəʀsleu̯] (deutsch Hadersleben) ist eine Stadt in der Region Syddanmark in Dänemark an der Haderslebener Förde. Sie zählt 21.748 Einwohner (Stand 1. Januar 2015). Haderslev hat einen Hafen und besitzt eine reizvolle Innenstadt mit Dom und dem heimatkundlichen Haderslev Museum. Die Stadt ist Standort für Maschinen-, Textil- und Nahrungsmittelindustrien.
Haderslev war seit seiner Gründung im Hochmittelalter Teil des Herzogtums Schleswig, gehörte nach dessen vollständiger Loslösung vom dänischen Gesamtstaat von 1867 bis 1920 zu Preußen und somit von 1871 bis 1920 zum Deutschen Reich. Noch heute lebt eine deutsche Minderheit (deutsche Nordschleswiger) in der Stadt.
Geschichte bis 1834
Auf dem Gebiet der heutigen Stadt gab es schon früh Siedlungen. Ein erster Hafenplatz ist etwas weiter östlich nahe der Kirche zu Starup, der ältesten Kirche der Region, nachweisbar. Westlich der späteren Rechtstadt entstand ein weiterer Siedlungskern mit der heute ebenfalls erhaltenen Kirche St. Severin. Die eigentliche Handelsstadt entwickelte sich am Ende der Haderslebener Förde. Dort entstand auch eine landesherrliche Burg. Haderslev wurde vor 1200 das erste Mal erwähnt. Saxo Grammaticus erzählt in der Sage von einem König Hather, nach dem die Stadt benannt sei. In Hadersleben oder Hathörsleff = Erben des Hather, wie die älteste Namensform lautete, erbauten die Dominikanermönche 1228 ein Kloster. 1241 erhielt Haderslev die Marktgerechtigkeit. Im Krieg zwischen König Erich IV. von Dänemark und Herzog Abel von Schleswig wurde der Ort niedergebrannt. 1292 erhielt Haderslev, wieder aufgebaut, von Herzog Waldemar IV. das schleswigsches Stadtrecht. Burgbezirk und die Siedlung Alt-Haderslev mit der St. Severins-Kirche blieben jedoch außen vor und gehörten zum Amt Haderslev. Die Verleihung des Stadtrechtes war ein Beweis für die Zunahme des Ansehens des Ortes. Die Stadt wurde befestigt und hatte drei Stadttore. Weiteren Schutz der auf einer Anhöhe errichteten Stadt bot die Aufstauung des Mühlenstroms, wodurch westlich der Stadt der Haderslebener Damm entstand. Der Stausee zählt noch heute zu den größten Gewässern in Nordschleswig. Die Altstadt liegt seither auf einer Halbinsel, und die Brücke über den Mühlenstrom ziert noch heute das Stadtwappen.
Im Mittelalter zählte die Stadt zu den wohlhabendsten der Region. Die Marienkirche ist nach dem Schleswiger Dom die zweitgrößte auf dem Gebiet des alten Herzogtums Schleswig. Als Sitz eines Kollegiatkapitels hatte sie eine hervorragende Stellung, und es gab Bestrebungen, die nordöstliche Propstei des Bistums zu einer eigenen Diözese zu erheben.
1351 lag hier der Graf Nikolaus von Holstein mit seinen Truppen zu Felde, als er das Schloss Törning belagerte. Die Landesteilungen der Herzogtümer Schleswig und Holstein, die seit 1460 mit Dänemark unter einem Landesherrn verbunden waren, berührten die Entwicklung der Stadt nachhaltig. Die galt namentlich für die Teilungen von 1523 und 1544. 1523 übergab König Friedrich I. seinem Sohn Christian (III.) die Ämter Törning und Haderslev mit der Stadt zur Herrschaft. Christian übernahm bald die Lehren Luthers, wodurch die Stadt zum geistigen Zentrum und Ausgangspunkt der Reformation im Norden wurde.
Nachdem Christian III. König und Herzog geworden war, musste er seine jüngeren Brüder abfinden. Dadurch kam es 1544 zu einer weiteren Landesteilung, deren Folgen nachhaltiger sein sollten als die Konsequenzen von 1490 und 1523. Haderslev wurde Residenzstadt von Herzog Johann dem Älteren, der nun unter anderem über die nordwestlichen Teile des Herzogtums Schleswig, die Insel Fehmarn und Teile Holsteins um die Stadt Rendsburg gebot. Der Herzog ersetzte die alte Burg durch das prächtige Schloss Hansburg etwas weiter östlich und setzte sich sehr für die Rechtsprechung in seinem Landesteil ein. In der Nachfolge des eingegangenen Klosters gründete er am Südrand der Stadt ein Hospital, das bis heute seinen Namen trägt.
„Grundtriß der Stadt Haderschleben Anno 1651“
Als Herzog Hans 1580 kinderlos verstarb, erlosch das Herzogtum Schleswig-Holstein-Hadersleben wieder und wurde unter den beiden anderen Linien der Landesherrschaft aufgeteilt. Haderslev blieb von nun an beim königlichen Landesteil. 1627 wurden die Bewohner von einer Feuersbrunst heimgesucht. Die Kriege des 17. Jahrhunderts verschonten die Stadt nicht. Auch Schloss Hansburg wurde zerstört, als der schwedische General Wrangel das Schloss belagerte und eroberte. Dabei geriet es in Brand und wurde durch die Explosion des in den Gewölbe lagernden Pulvers in die Luft gesprengt. Es wurde nicht wieder aufgebaut. Die Reste wurden zum größten Teil zur Ausbesserung des Koldinger Schlosses verwendet. Der Kanal, der Schloss und Stadt trennte, verschwand und war schon 1729 ganz ausgefüllt. Da das Manövrieren für größere Schiffe auf der schmalen Förde schwierig war, büßte die Stadt einen Teil ihrer Bedeutung als Handelsstadt ein, blieb jedoch unbestritten das Zentrum für den Norden des Herzogtums Schleswig. Eine ungeliebte Konkurrenz wurde das 1771 nur 13 km nördlich der Stadt gegründete Christiansfeld. Die Herrnhuter Brüdergemeine genoss dort weitgehende Handels- und Gewerbefreiheiten.
Geschichte 1834 bis 1920
1834 wurde der Schlossgrund eingemeindet.
Im 19. Jahrhundert geriet die Stadt in den Sog des deutsch-dänischen Konflikts, der sehr schnell die Frage nach politischer Liberalisierung und Demokratisierung überlagerte. Ein Teil des Bürgertums votierte für die deutsch-schleswig-holsteinische Seite, während andere sich wie der überwiegende Teil des Umlandes der dänischen Seite anschlossen. Anders als die Nachbarn in Tondern und Apenrade schloss sich die Stadtverwaltung nicht umgehend den Schleswig-Holsteinern an, als diese 1848 während der Erhebung zunächst die Oberhand gewannen. Nach Kriegsende 1850 wurden die früheren Verhältnisse wiederhergestellt, und in der Stadt galten Deutsch und Dänisch gleichberechtigt als Amtssprachen, wobei der Schulunterricht bevorzugt auf Dänisch erteilt werden sollte.
Der deutsch-dänische Konflikt war jedoch nicht beigelegt und flammte 1863 wieder auf, als die dänische Regierung eine gemeinsame Verfassung für das Königreich und Schleswig anstrebte. Darin erkannte der Deutsche Bund unter preußischer Führung einen Verstoß gegen das Londoner Protokoll. Zum einen argumentierte man, das zum Deutschen Bund gehörende Holstein könne nicht ohne Verfassung (diese war von der holsteinischen Ständeversammlung 1858 ausgesetzt worden) bleiben; zum anderen verstieß Dänemark gegen die internationale Übereinkunft, wonach Schleswig nicht enger an Dänemark gebunden werden durfte. Der Deutsch-Dänische Krieg endete 1864 mit einer dänischen Niederlage, worauf die Herzogtümer abgetreten werden mussten.
Der Landesteil Schleswig mit der Stadt Hadersleben wurde zunächst preußisch verwaltet. Mit dem Besitzergreifungspatent von 1866 wurde er Teil des Königreichs Preußen. Die neue Staatsgrenze verlief nun 15 Kilometer nördlich der Stadt und unterbrach die bisherige wirtschaftliche Verflechtung nach Norden. Mit der einsetzenden Neuausrichtung konnte die Stadt einen gewissen industriellen Aufschwung verzeichnen. 1867 wurde ein Amtsgericht eingerichtet. Die Garnisonsstadt wurde zudem zu einem beliebten Alterssitz, wovon noch heute zahlreiche schöne Villen künden. 1910 wurden die westliche Vorstadt Alt-Hadersleben und die südliche Vorstadt Süderotting eingemeindet. Ein Nachteil war, dass 1862 die Haupteisenbahnlinie von Hamburg nach Fredericia (Vamdrup-Padborg-Bahn) aus militärstrategischen Erwägungen an Hadersleben vorbei geplant worden war. 1866 wurde die Stadt mit der Bahnstrecke Vojens–Haderslev an das Schienennetz angebunden. Ab 1899 entstand die Haderslebener Kreisbahn.
Geschichte 1921 bis 1970
Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs kam die Stadt zur I. Zone für die deutsch-dänische Volksabstimmung über die künftige staatliche Zugehörigkeit Schleswigs. Am 10. Februar 1920 stimmten rund 60 % der Einwohner für Dänemark, und da in Nordschleswig en bloc mit einem Ergebnis von insgesamt 75 % pro Dänemark abgestimmt wurde, gehört die Stadt seit dem 15. Juni 1920 zum Königreich Dänemark. Der nationale Konflikt war damit jedoch nicht bewältigt, und weite Teile der deutschen Minderheit fanden sich nicht mit der neuen Staatsgrenze ab. Kurz nach der Vereinigung mit Dänemark wurde die Stadt Bischofssitz.
Als am 9. April 1940 deutsche Truppen Dänemark besetzten, kam es in Haderslev kurzzeitig zu Kampfhandlungen, bei denen einige dänische Soldaten ums Leben kamen. Die Grenze wurde jedoch nicht verschoben. 1943 erklärte der in Opposition zur Minderheitenführung stehende „Haderslebener Kreis“ in der Haderslebener Erklärung seine Loyalität gegenüber dem dänischen Staat. In dieser Zeit wurde für die Luftwaffe zirka 15 km westlich des Stadtzentrums der Fliegerhorst Hadersleben errichtet, heute der einzig verbliebene Kampfflugzeugstützpunkt Dänemarks. Mit dem Kriegsende verschob sich die Grenzfrage eine Zeitlang nach Süden. Die Bonn-Kopenhagener Erklärungen beendeten 1955 jedoch den deutsch-dänischen Konflikt. Heute gibt es in der Stadt eine deutsche Schule, einen deutschen Kindergarten und mehrere deutsche Vereine.
Die größte Tragödie in der jüngeren Geschichte der Stadt geschah 1959, als das Ausflugsschiff Turisten auf dem Haderslebener Damm in Brand geriet. 57 Menschen starben in den Flammen oder ertranken.
Geschichte nach 1970
Wirtschaftlich nahm die Stadt weiter Aufschwung und dehnte sich immer weiter aus. Neue Industriegebiete entstanden im Nordwesten und im Süden der Stadt.
1970 wurde die Stadt mit den Gemeinden Moltrup, Vonsbæk, Åstrup, Øsby, Halk, Grarup, Starup, Vilstrup und Hoptrup und den Resten von Gammel Haderslev zur neuen Kommune Haderslev zusammengelegt. 2007 folgen die Kommunen Gram und Vojens sowie die Kirchspiele Bevtoft, Hjerndrup, Bjerning und Fjelstrup. Die Einwohnerzahl der neuen Großkommune Haderslev beträgt damit 55.888 (Stand 1. Januar 2015).
2015 ließ Bürgermeister Hans Peter Geil (Venstre) eine zweisprachige Ortstafel nahe der Gammel Haderslev Kirke aufstellen. An der deutschen Ortsbezeichnung entzündete sich heftiger Streit; nach wenigen Tagen wurde das Schild beschädigt und schließlich von unbekannten Tätern entwendet. Im Stadtrat missbilligten Venstre, Dansk Folkeparti und Liberal Alliance das eigenmächtige Vorgehen des Bürgermeisters.
Sehenswürdigkeiten
– Der Dom zu Hadersleben gilt als schönste gotische Kirche des Landes; sehenswerte Epitaphe, Grabkapellen, Bronzetaufe, Orgel.
– Altstadt, viele geschlossen erhaltenen Straßenzüge mit Bauten des 17. bis 19. Jahrhunderts, vor allem östlich des Marktes um die Schlossstraße und den Klingenberg herum, aber auch westlich der Hauptstraße im Bereich des früheren Klosters
– Wassermühle, heute Theater
– Herzog-Johann-Hospital, 16. Jahrhundert
– Haderslev Museum, vor allem Archäologie, aber auch Kulturgeschichte
– Ehlers-Sammlung, Keramiken, wird zum stadtgeschichtlichen Museum ausgebaut
– Schleswig’sche Kutschensammlung
– Alter Friedhof, zahlreiche historische Grabmäler, Blick über den Haderslebener Damm
– Haderslebener Damm, großer mittelalterlicher Stausee mit zahlreichen Wanderwegen
Verkehr
Die Nord-Süd-Autobahn E 45 führt seit 1978 etwa acht Kilometer westlich an der Stadt vorbei und ist über drei Anschlussstellen zu erreichen. Die frühere A 10 führt unter Umgehung der Altstadt als Landesstraße 170 ebenfalls in Nord-Süd-Richtung durch die Stadt. Hadersleben hat eine Schnellbusverbindung mit Sønderborg und Vejle und stündliche Überlandverbindungen nach Nord und Süd, während die Ost-West-Verbindungen dünner sind.
Die Haupteisenbahn von Hamburg über Flensburg nach Fredericia wurde in 12 km Entfernung westlich an der Stadt vorbei geführt. Zum einen konnten die Gleise auf dem Geestrücken weitgehend ohne teure Brückenbauten verlegt werden, zum anderen wollte die dänische Heeresleitung vermeiden, die Hauptorte an den Ostseebuchten von Süden her leichter angreifbar zu machen. Die 1866 eröffnete Bahnstrecke Vojens–Haderslev dient seit 2011 nur noch als Museumsbahn. Der nächstgelegene Bahnhof mit regulärem Personenverkehr ist Vojens.
Die Schmalspurstrecken der Haderslebener Kreisbahn wurden bereits in der zweiten Hälfte der 1930er Jahre eingestellt, zuletzt 1939 die Verbindung nach Toftlund.